
Schwerkraft sagt Verhalten von Menschen vorher
Es ist quasi unmöglich, auf individueller Ebene vorherzusagen, ob ein Mensch in eine bestimmte Stadt umsiedeln, ein bestimmtes Land bereisen, oder in einem bestimmten Geschäft einkaufen gehen wird. Doch wenn man das Verhalten einer sehr großen Zahl an Menschen beobachtet, zeigt sich, dass dieses der Anziehung zwischen Planeten ähnelt.
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„Ein größeres Geschäft zieht in der Regel mehr Kunden an, hat mehr Fläche, mehr Produkte. Doch genau wie bei der Gravitation sinkt mit steigendem Abstand zum Geschäft die Chance, dass du es besuchst, denn die Distanz ist mit Kosten verbunden“, erläutert Rafael Prieto-Curiel vom Complexity Science Hub (CSH) in Wien.
Gute Schätzungen mit wenigen Daten
Das Gravitations-Modell sei simpel und gut nachvollziehbar, meint der Mathematiker: „Warum ziehen wir eher nach Wien als nach Linz? Die Stadt ist größer, da ist es wahrscheinlicher, einen Job oder die Liebe seines Lebens zu finden.“ Das Modell werde schon lange für ökonomische Prognosen eingesetzt, und hat den Vorteil, dass es auch bei magerer Datenlage hilfreiche Schätzungen zulässt.
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Prieto-Curiel hat in der Vergangenheit damit etwa Migrationsströme innerhalb der USA untersucht. Für ein Wissenschafts-Vermittlungsprogramm hat er außerdem das Wachstum von Städten in Afrika rechnerisch und praktisch simuliert: „Wir haben ein Bettlaken mit Gewichten an der Unterseite genommen, die als ,Städte’ den Stoff verformt haben.“ Anhand kleiner Körner auf der Oberfläche des Bettlakens wurde deutlich, dass größere Städte – also die Stellen mit schwereren Gewichten – attraktiver waren als andere.
Newtonsches Gravitationsgesetz
Die Gleichung ähnle dem Newtonschen Gravitationsgesetz von 1687, allerdings mit mehr Parametern, wie der Mathematiker in einem Fachartikel beschreibt. Mindestens 4 davon sind nötig: der Ursprung (z.B. eine Stadt gemessen an der Einwohnerzahl), das Ziel (z.B. ein Einkaufszentrum gemessen an der Fläche), die Entfernung und der Fluss (z.B. die Anzahl der Kundinnen und Kunden aus verschiedenen Städten im Einkaufszentrum während eines bestimmten Zeitraums).
„Wenn man zum Beispiel wissen will, wie viele Touristen zum Skifahren nach Österreich kommen, kann man das anhand von Bettenkapazitäten, Flughäfen und so weiter modellieren“, erklärt Prieto-Curiel. Eine magische Glaskugel ist die mathematische Modellierung dennoch nicht. Ungenauigkeiten bei den verschiedenen Parametern können zu falschen Prognosen führen und so regelkonform wie Planeten im Sonnensystem verhalten sich Menschen nicht.
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